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Negative Steuern4.1.5.2 Mengen- und PreiskontrollenWeitere Marktformen
m Unterschied zu Steuern setzen Kontrollen der Mengen und Preise durch den Staat den Preismechanismus vollkommen außer Kraft. Sie sind somit marktinkonform. Ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage über den Preis kann nicht mehr stattfinden.
Das gilt zumindest dann, wenn der Staat in der Lage ist, die Kontrolle auch durchzusetzen. Da sich Anbietern und Nachfragern Gewinnchancen bieten, wenn sie die Kontrollen umgehen, entstünden andernfalls Schwarzmärkte. Die Kontrollen müssen daher entsprechend engmaschig und die Strafen für Verstöße gegen die Anordnung hinreichend abschreckend sein.
Gründe für marktinkonforme Eingriffe sind regelmäßig sozialpolitisch motiviert. Die Einkommen oder die Versorgung bestimmter Gruppen der Bevölkerung soll gesichert werden:
- Höchst- oder administrierte Preis für Grundbedarfsgüter (Brot, Reis, Miete),
- Mindestpreise für Erzeuger (z. B. Milch),
- Quoten (landwirtschaftliche Erzeugnisse, Rohstoffe),
- Mindestlöhne.
Als Beispiel greifen wir den Mindestlohn auf und analysieren seine Auswirkungen. Wir betrachten dazu einen Arbeitsmarkt, auf dem L(abour) für die Menge an Arbeit und w(age) für den Lohnsatz steht. Als Zahlenbeispiel dienen uns die Funktionen $(1) \space L^N = 130 - 10w $ für die Nachfrage nach Arbeit seitens der Unternehmen und $(2) \space L^A = -10+10w$ für das Arbeitsangebot der Haushalte.
Mit einer exakten Zeichnung (s. Abb. 1) kann man sich die Berechnung des Gleichgewichts ersparen. Wie sich ablesen lässt, ist der Markt bei einem Gleichgewichtslohn $w^* = 7$ geräumt. Arbeitsnachfrage und - angebot betragen jeweils $60$.
Nun gebe es die politische Entscheidung für einen Mindestlohn in Höhe von 8 Geldeinheiten. Erwartet wird "eine Verbesserung der Einkommenssituation der Arbeitnehmer und vermehrte Kaufkraft".
- Arbeitslosigkeit
- Lohnsumme beim Gleichgewichtslohnsatz
- Lohnsumme beim Mindestlohnsatz
-
Renten von Arbeitgebern (gelb) und
Arbeitnehmern (grün) in der Ausgangssituation -
Rente der Arbeitnehmer nach
Einführung des Mindestlohnes -
Rente der Arbeitgeber nach
Einführung des Mindestlohnes -
Umverteilung Rente zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer - Allokationsverlust
Die erste offensichtliche Schlussfolgerung:
Da der Preismechanismus außer Kraft ist, kommt es auf diesem Markt nicht mehr zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Zwei Gründe sind für die entstehende Arbeitslosigkeit verantwortlich: Im Vergleich zur Ausgangssituation P geht die Arbeitsnachfrage zurück. Das Ausmaß dieses Rückgangs hängt von der direkten Preiselastizität der Nachfrage ab. Je elastischer die Nachfrage reagiert, umso mehr Arbeitskräfte werden von den Unternehmen entlassen.
Der zweite Grund ist auf der anderen Marktseite zu finden: Der garantierte Lohn lockt zusätzliche Arbeitskräfte in den Markt. Für die "Grenzanbieter" steigen die Opportunitätskosten der Freizeit. Die Elastizität des Angebots bestimmt also, wieviel Arbeit zusätzlich angeboten wird. Da - wie man am Kurvenverlauf leicht erkennen kann - in unserem Zahlenbeispiel im Gleichgewicht die Elastizitäten von Angebot und Nachfrage absolut gleich hoch sind, tragen hier beide Marktseiten in gleichem Ausmaß zur Arbeitslosigkeit bei.
Wer weiterhin beschäftigt bleibt, entscheiden jetzt andere Kriterien: Das Alter, der Familienstand oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Glücklichen, die ihre Arbeit behalten, kommen in den Genuss des höheren Mindestlohnsatzes. Da die Beschäftigung aber zurückgeht, wirken auf die Lohnsumme der Arbeitnehmer zwei einander entgegengerichtete Effekte: Ein Preiseffekt und ein Mengeneffekt.
Die Lohnsumme in der Ausgangssituation beträgt 420. Nach Einführung des Mindestlohnsatzes beträgt sie nur noch 400, da der Mengeneffekt den Preiseffekt überkompensiert. Der Lohnsatz steigt zwar um ca. 14 %, die Beschäftigung geht aber um fast 17 % zurück. Die politische Hoffnung auf vermehrte Kaufkraft durch den Mindestlohn wird hier also nicht erfüllt. Sie entpuppt sich als Milchmädchenrechnung.
Zugleich entsteht nun auf beiden Marktseiten ein Interesse, die Mindestlohnvorschrift zu umgehen. Die Unternehmer möchten geringere Löhne zahlen und es finden sich Arbeitslose, die unterhalb des Mindestlohnes zu arbeiten bereit wären. Es nimmt also nicht Wunder, dass ein Schwarzmarkt entsteht, solange der Staat nicht mit entsprechenden Strafen dagegen einschreitet. Ganz allgemein lässt sich feststellen:
Ob die Lohnsumme mit der Einführung oder Änderung eines Mindestlohnes steigt oder sinkt, hängt von der Elastizität der Arbeitsnachfrage ab. Ihr kritischer Wert liegt bei -1. Der Grund ist leicht einzusehen. In diesem Fall würde eine einprozentige Steigerung der Lohnsatzes die Beschäftigung um ein Prozent sinken lassen. Die beiden Effekte kompensierten sich also gegenseitig. Wenn die Nachfrage aber sehr unelastisch reagiert, z. B. weil die Arbeitskräfte über eine besondere Qualifikation verfügen, die schwer zu substituieren ist, dann steigt die Lohnsumme bei der Einführung eines Mindestlohnes an. Diesen Effekt nutzen Spezialgewerkschaften gerne aus. Beispiele dafür liefern Piloten und Lokführer.
Dass in unserem Beispiel die Lohnsumme durch den Mindestlohn sinkt, bedeutet nicht, dass die Einführung des Mindestlohnes für die Haushalte nicht vorteilhaft wäre. Klare Gewinner sind natürlich erst einmal diejenigen, die ihre Beschäftigung behalten. Klare Verlierer sind die Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Für die gesamte Gruppe der Arbeitnehmer muss man daher die Gewinne mit den Verlusten verrechnen. Dabei muss noch einen weiterer Aspekt berücksichtigt werden: Die Arbeitnehmer erbringen nach der Einführung des Mindestlohnes weniger Arbeitsleistung. Es sinkt also ihr Arbeitsleid. Wenn wir die Auswirkungen summa summarum ermitteln wollen, müssen wir also auf die Rente der Arbeitnehmer schauen. Da sie hier die Anbieter sind, ist die Produzentenrente zu betrachten. Mit Hilfe der interaktiven Abbildung 1 stellen Sie leicht fest, dass in unserem konkreten Zahlenbeispiel die Rente der Arbeitnehmer auf Kosten der Arbeitgeber steigt.
Dieses Ergebnis gilt aber nicht generell. Weitere Steigerungen des Mindestlohnes können die Beschäftigung so stark sinken lassen, dass auch die Arbeitnehmer im Vergleich zur Ausgangssituation keinen Vorteil mehr haben. Das macht ein Extremfall sofort deutlich: Ein so hoher Mindestlohn, dass überhaupt keine Beschäftigung mehr zustande käme (im Zahlenbeispiel ein Lohn in Höhe von 13), würde die Rente aller Marktteilnehmer gänzlich vernichten.
Auf der Seite der Arbeitsnachfrager gibt es ausschließlich Verlierer. Einige Unternehmen können im Markt nicht mehr überleben, da sie wegen der gestiegenen Kosten nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die, die es weniger hart trifft, müssen höhere Löhne zahlen als in der Ausgangssituation.
Die Umverteilung von Renten durch den Mindestlohn ist aus übergeordneter Perspektive ein weniger ernstes Problem. Hierbei geht schließlich nichts verloren. Problematischer ist der Verlust an Rente, der mit dem Mindestlohn einher geht. Der Rückgang der Beschäftigung bringt einen Allokationsverlust mit sich, den Sie sich ebenfalls in Abbildung 1 anzeigen lassen können. Der Staat sieht sich bei der Einführung des Mindestlohnes also einem Dilemma gegenüber: Soziale Gerechtigkeit versus Effizienz. Das sollte Anlass geben, vorher zu überlegen, ob es nicht Instrumente gibt, die die Einkommenssituation der Arbeitnehmer verbessern helfen, aber weniger Schaden anrichten. Da kämen in einer ersten Überlegung u.a. Lohnsubventionen, eine negative Einkommensteuer, Fortbildung und Umschulung sowie Mobilitätsbeihilfen in Frage.
Was wir hier exemplarisch für Mindestlöhne festgestellt haben, lässt sich verallgemeinern:
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